Wildwest-Justiz im Ländle
- Developer tester
- 24. Juni
- 4 Min. Lesezeit
Begünstigte von Stiftungen, habt Angst! Ihr könnt heute einfach gekündigt werden.

Jede Stiftung in Liechtenstein benötigt einen lokalen Stiftungsrat. Diese einkommensschaffende Maßnahme für die wenigen Dutzend Treuhänder und Anwälte ist gesetzlich vorgeschrieben.
Bei einem Stiftungsmodell ist es von größter Bedeutung, dass der Begünstigte der Stiftung auch im Stiftungsrat Einsitz nimmt.
Nur so kann er die Gefahr abwenden, dass die Stiftung geplündert, dekantiert und ihr Inhalt seinem Zugriff entzogen wird. Nicht zuletzt aus steuerlichen Gründen gibt es in der Stiftungssatzung einen Artikel, der üblicherweise lautet:
„Der Stiftungsrat ist befugt, die Begünstigten, die Bedingungen einer solchen Leistung und ihren Inhalt zu bestimmen und sie nach eigenem Ermessen zu widerrufen.“
Auf Deutsch heißt das: Wenn Vater Müller für seine beiden Söhne eine Stiftung in Liechtenstein gründet, die zunächst zu seinem eigenen Vorteil und nach seinem Tod ausschließlich zum Vorteil seiner Söhne verwendet werden soll, tut er gut daran, die Begünstigten auch im Stiftungsrat einzugliedern.
Diese Distanz zwischen Stiftung und Begünstigten bietet einerseits steuerliche Vorteile. Verwaltet die Stiftung beispielsweise Milliardenvermögen, wie etwa das der Bacardí-Rum-Dynastie, müssen die Begünstigten nur die Beträge versteuern, die sie entnehmen.
Konkret: Wenn die Stiftung einen Gewinn von 100 Millionen macht, die begünstigte Bacardí-Tochter aber nur eine Million als Taschengeld benötigt, dann muss sie nur auf diesen Betrag Steuern zahlen. Es sei denn, sie wird komplett abgezockt, aber das wäre ein anderer Skandal.
Der jüngste Skandal besteht aus den Worten „Anschein eines möglichen Interessenkonflikts“ im Gegensatz zu „Offenbarung eines massiven Interessenkonflikts“.
Für den Laien mag das eine Selbstverständlichkeit sein, aber genau darin besteht der Unterschied zwischen einem Rechtsstaat und dem Wilden Westen.
Denn verständlicherweise erfordert die Manifestation von etwas Massivem konkrete Beweise. So nutzte Müller, ein Stiftungsrat und Begünstigter, seine Position aus, um sich einen Vorteil gegenüber anderen Begünstigten zu verschaffen, indem er beispielsweise einfach in die Kasse griff, ohne jegliche Erklärung oder Offenlegung.
Dies könnte zu seiner Abberufung aus dem Kuratorium führen.
Etwas anders verhält es sich mit dem „Anschein eines möglichen Interessenkonflikts“. Ein Anschein ist keine Tatsache und eine Möglichkeit keine Realität.
Um dieses Beispiel zu verwenden: Wenn der Stiftungsrat den Eindruck erweckt, er würde in die Kassen greifen, reicht das aus, um seine Abberufung zu rechtfertigen.
Das wäre absurd? Das war absurd. Bis zum Urteil des Fürstlichen Landgerichts vom 2. März 2021. Dieses unterstützte den Antrag auf Abberufung eines Stiftungsratsmitglieds wegen des „Anscheins eines möglichen Interessenkonflikts“.
Grund hierfür war, dass der Stiftungsrat Rechenschaft über Entnahmen aus dem Stiftungsvermögen verlangt hatte. Das Gericht zog daraus eine scharfe Schlussfolgerung: Sollte es zu einer Rückzahlung kommen, würde der Stiftungsrat als Begünstigter profitieren – ein Interessenkonflikt.
Dass eine bloße Aufforderung zur Rechenschaft keine Rückzahlung bedeutet, dass eine solche Rückzahlung keine Bereicherung der Stiftung wäre, sondern vielmehr die Rückgewähr einer zuvor unberechtigten Entnahme – na und?
Nun könnte der Laie meinen, ein solch absurdes Urteil würde auch in Liechtenstein von den höheren Gerichten aufgehoben werden. Doch das wird voraussichtlich nicht vor dem 22. September 2021 der Fall sein.
Das Fürstliche Obergericht bestätigte den erstinstanzlichen Entscheid. Doch es gibt noch das Liechtensteinische Staatsgericht, wo auf höchster Ebene Recht gesprochen wird.
Oder vielleicht auch nicht. In einer geheimen Sitzung Ende Juni 2022 bestätigte auch dieses Fürstliche Gericht den Justizirrtum – und teilte ihn dann zwischendurch dem abberufenen Stiftungsrat mit.
An seiner Stelle fungieren nun zwei liechtensteinische Rechtsanwälte als Stiftungsratsmitglieder und sichern sich großzügige monatliche Honorare von rund 50.000 Euro.
Sie unternehmen nicht viel dagegen, reagieren aber recht harsch auf Kritik an ihrer Arbeit und setzen sich sogar über die entsprechenden Stiftungsreglemente hinweg, die sogar dazu führen können, dass das entlassene Stiftungsratsmitglied als Begünstigter ausgeschlossen wird.
Wer nun meint, es handele sich lediglich um Pech für einen Einzelnen, der irrt. Seit dieser neuen Rechtsprechung ist das Stiftungsrecht in Liechtenstein wieder zu einer Wildwest-Angelegenheit geworden.
Dies gefährdet jeden Stifter und jeden Begünstigten, der glaubt, durch eine Mitwirkung im Stiftungsrat auf der sicheren Seite zu sein.
Dies ist eine beliebte Sicherheitsmaßnahme, um das Auslaufen einer Grundierung zu verhindern.
Hat der Begünstigte keinen Einblick in die Entscheidungen des Stiftungsrates, ist es schon mehr als einmal vorgekommen, dass er mit der unangenehmen Nachricht konfrontiert wird, dass das Stiftungsvermögen leider nicht mehr der eingezahlten Million entspricht, sondern wie durch ein Wunder auf Null geschrumpft ist.
Wo ist es geblieben? Der Stiftungsrat zuckt bedauernd die Achseln. Anwaltsgeheimnis. Geschäftsgeheimnisse. Stiftungsräte unterliegen der Verschwiegenheitspflicht. Nein, es gibt auch keinen Zugriff auf die Akten.
Wendete sich das Opfer an die Justiz, teilte ihm die Staatsanwaltschaft mit, dass ohne Unterlagen und Beweise leider kein Anfangsverdacht vorliege und es ohne diese schwierig sei, ein Strafverfahren einzuleiten.
Sitzt der Stifter jedoch im Stiftungsrat, kann er solche kriminellen Machenschaften verhindern. Es sei denn, er wird wegen des „Anscheins eines möglichen Interessenkonflikts“ aus dem Gremium ausgeschlossen, dem jeder zum Opfer fallen kann.
Dies wurde kürzlich durch die königliche Gerichtsbarkeit geschützt. Es ist, als würde ein erwischter Dieb die Polizei rufen. Und sie nehmen den Nachtwächter mit, der Alarm geschlagen hat.
Es besteht ein möglicher Interessenkonflikt, da die Person möglicherweise von der gestohlenen Ware profitieren könnte.
Das Unrecht, das einem Einzelnen hier widerfährt, bedroht alle. Nicht nur Bacardí, nicht nur die deutsche Familie Birkenstock, sondern alle, die glauben, dass im liechtensteinischen Stiftungsrecht Recht und Gesetz herrschen.
Denn letztlich ist das Land ein Fürstentum. Wo letztlich nur das geschieht, was der Fürst billigt oder erlaubt. Es ist höchste Zeit für Seine Hoheit, etwas zu unternehmen.



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