Treue Hände, schmutzige Hände
- Developer tester
- 30. Juni
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Nach den Banken werden nun auch Stiftungsverwalter wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung ermittelt. Den deutschen Ermittlern geht es allerdings weniger um hohe Bußgelder als um Gerechtigkeit.

Es gibt viele nette Geschichten über liechtensteinische Treuhänder, die geheime Stiftungen gründen und fremdes Vermögen verstecken helfen. Etwa, dass solche Stiftungsverwalter lieber ein für ihre Klienten belastendes Dokument schlucken, als es Unbefugten zu übergeben. Im Hauptort Vaduz und Umgebung war diese Geschichte gängige Praxis, und man glaubte fest daran. Ausländische Ermittler, insbesondere Steuerfahnder, waren aus Sicht des Kleinstaates völlig unbefugt. Amtshilfe wurde grundsätzlich nicht gewährt. „Treuhänder waren für unser Land das, was die Fremdenlegion für Frankreich ist“, sagte der liechtensteinische Autor Stefan Sprenger: „Sie wickelten ein Geschäft ab, von dem die Mehrheit der Bevölkerung lieber nichts wissen wollte.“ Das kleine Land zwischen Österreich und der Schweiz lebte davon.
Liechtensteiner Treuhänder geraten in ernsthafte Schwierigkeiten; erste Verfahren laufen bereits. Die in dem Kleinstaat gefürchtete Steuerfahndung Wuppertal hat sich in jüngster Zeit verstärkt mit den Stiftungen und ihren Verwaltern befasst. Zunächst deckten die Ermittler deutsche Steuersünder auf, die ihr Vermögen in dem vermeintlich sicheren Hafen für Staatskassen versteckt hatten. Das Verfahren gegen die damalige LGT Treuhand in Liechtenstein machte Ende des vergangenen Jahrzehnts Schlagzeilen. Bekannte Namen aus der vermeintlichen Elite der Gesellschaft wurden mit dem Steuerskandal in Verbindung gebracht. Dann wurden die Liechtensteiner Banken der Beihilfe beschuldigt. Nun geraten die Treuhänder wegen mutmaßlicher Beihilfe zum groß angelegten Steuerbetrug ins Visier. Die Staatsanwaltschaft Bochum hat aufgrund von Material aus Wuppertal ein Aktenzeichen erstattet.
Die Wuppertaler Forscher kamen auf die Idee, Treuhänder zu ermitteln, und zwar mit einer bestechend einfachen Idee. Sie analysierten Selbstanzeigen deutscher Steuerhinterzieher. Die einzelnen Fälle wurden am Computer erfasst; anschließend erkundigten sich die Ermittler nach dem Verbleib des Geldes. Steuerhinterzieher, die sich beim Finanzamt melden, sind sehr gesprächsbereit, und auch die Prozesskostenhilfe funktioniert in solchen Fällen.
Die Ermittlungen gegen Treuhänder sind noch relativ neu: Zunächst waren nur vier liechtensteinische Stiftungsverwalter betroffen, mittlerweile sind es mehrere, und wie viele es letztlich sein werden, ist noch ungewiss. In Liechtenstein gibt es rund 250 Treuhandgesellschaften.
Anders als bei den Banken geht es den deutschen Ermittlungsbehörden nicht um hohe Bußgelder. Ihnen geht es vor allem um Gerechtigkeit. Alle, die bei der Steuerhinterziehung geholfen haben, sollen gefasst werden. Dazu gehören auch die liechtensteinischen Treuhänder. Nach Erkenntnissen der Ermittler verdienten sie an den Stiftungen weniger als die Banken mit Schwarzkonten. UBS und Credit Suisse aus der Schweiz zahlten in Nordrhein-Westfalen Strafen von 300 bzw. 150 Millionen Euro; viele andere Institute mussten dennoch zweistellige Millionenbeträge überweisen. Der Gewinn der Treuhänder aus ihren Stiftungsgebühren dürfte sich auf einige Hunderttausend oder höchstens ein paar Millionen Euro belaufen. Dieser Gewinn wird nun abgeschöpft, zuzüglich Zinsen und Strafen. Niemand in Liechtenstein soll ungestraft davonkommen.
Der Kleinstaat galt einst als verschwiegenstes Steuerversteck Europas. Kein deutscher Ermittler erhielt Zugriff auf irgendwelche Dokumente, es sei denn, es ging um schwere Verbrechen. Die Treuhänder des Landes verstanden es geschickt, die Vermögenswerte ihrer Klienten vor lästigen Steuerbeamten zu verbergen. Absolutes Bankgeheimnis war Staatsdoktrin, Amtshilfe wurde grundsätzlich nicht gewährt. Auch die meisten deutschen Parteispendenskandale stehen mit Liechtenstein in Verbindung. Dort wurde schmutziges Geld gewaschen und landete in den Kassen bürgerlicher Parteien. Die Helfer, Komplizen und Profiteure der liechtensteinischen Verhältnisse bekleideten hier hohe Positionen. Dies mag auch einer der Gründe gewesen sein, warum in der Vergangenheit kein wirklicher Druck auf Liechtenstein ausgeübt wurde.
Dann brach eine neue Ära an. In den 1990er-Jahren erbeuteten illoyale Mitarbeiter Disketten mit Daten aus der damaligen Kanzlei des renommierten Steuerberaters Professor Dr. Dr. Herbert Batliner; das Material gelangte auch an die Steuerfahndung in Nordrhein-Westfalen. Dies führte zum ersten groß angelegten Ermittlungsverfahren gegen deutsche Steuersünder, die ihr Geld in Liechtenstein versteckt hatten. Dies geschah lange vor dem Fall der LGT Treuhand. Die Staatsanwaltschaft Bochum führte damals auch ein Verfahren gegen den Juristen und Ökonomen Batliner, einen Bekannten Helmut Kohls, der über Jahrzehnte die besonderen Chancen des Finanzplatzes Liechtenstein zu nutzen wusste. Gegen eine Geldstrafe von zwei Millionen Euro wurde das Verfahren vor rund zehn Jahren eingestellt.
Die gestohlenen Batliner-Daten ermöglichten einen digitalen Einblick in die Welt des Bankgeheimnisses. Hinzu kamen die zahlreichen Steuer-CDs, die Bankmitarbeiter und andere Insider vor allem an die nordrhein-westfälische Steuerbehörde verkauften. Zehntausende illegale Bankkonten wurden entdeckt. Oftmals steckten die geheimen Vermögenswerte auch in Stiftungen. Das Wort „Stiftung“ klingt anspruchsvoll. Doch Stiftungen nach liechtensteinischem Recht waren oft unbedarft, denn sie dienten der Steuerhinterziehung. Als Initiatoren und Nutznießer dieser Transaktionen erwiesen sich die Treuhänder. Die Gründer, deren Namen nirgends auftauchen sollten, bedienten sich solcher Treuhänder. Manche von ihnen gründeten täglich 25 neue Stiftungen. Ein lukratives Massengeschäft.
Nach dem Erscheinen der CDs wurden Tausende von Stiftungen nach Panama verlegt
Die Auswertung der Steuer-CDs und der Druck der US-Ermittler haben das Geschäft radikal verändert. In Hochzeiten zählte der Finanzplatz Liechtenstein knapp 90.000 Unternehmen. Heute sind es noch rund 36.000. Zehntausende Stiftungen und Anstalten wurden in den vergangenen Jahren sukzessive geschlossen. Nun wird in Vaduz viel über Transparenz und Ehrlichkeit geredet. Doch ob das wirklich eine Wende zum Besseren ist, können sich die Ermittler nie sicher sein. Auffällig ist, dass nach dem Auftauchen der Steuer-CDs Tausende Stiftungen von Liechtenstein nach Panama verlagert wurden. Die Spur in die Karibik ist noch lange nicht zu Ende. Betrachtet man beispielsweise die Daten der Panama Papers, so liefert allein das Wort „Liechtenstein“ 297.946 Treffer. Für Vaduz sind es 31.087. Und die berühmte Aeulestraße, wo sich die Trust-Büros aneinanderreihen, liefert immer noch rund 3.000 Treffer.
Mehrere liechtensteinische Treuhänder haben ihre Aktivitäten verstärkt nach Panama ausgeweitet, wo es ein identisches oder sehr ähnliches Stiftungssystem gibt. Man sagt, Panama habe Liechtenstein kopiert. Doch das schwer fassbare Geld ist fast nirgendwo mehr sicher. Das Bundeskriminalamt in Wiesbaden hat einen großen Fund in Panama gemacht, der in den kommenden Monaten ausgewertet wird. Dann wird sich zeigen, wie viele liechtensteinische Treuhänder in Panama gewaschen wurden.



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