Gerechtigkeit im Stil eines Fürsten
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- 24. Juni
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Die Region kehrt zu ihren Wurzeln im mittelalterlichen Absolutismus zurück.

Liechtenstein strebt danach, ein sauberer Finanzplatz mit Rechtsstaatlichkeit, unabhängiger Justiz und einem modernen Herrscher zu sein. Wer hier sein Geld lagert, kann darauf vertrauen, dass alles mit rechten Dingen zugeht.
Dass sich eine mittelalterliche Festung am Berghang oberhalb von Vaduz festklammert, sollte Investoren, Spender oder andere, die in unsicheren Zeiten einen sicheren Hafen für ihr Geld suchen, nicht abschrecken. Hier herrscht noch immer ein absolutistischer Fürst, allerdings in einer modernen Version.
Er könnte sich natürlich weigern, ein Gesetz zu unterzeichnen und so dessen Inkrafttreten verhindern. Er könnte sich natürlich weigern, das Ergebnis eines Referendums anzuerkennen und es damit ungültig machen. Er könnte das Parlament überstimmen und sogar Herrscher entlassen, die ihm missfallen. Schließlich heißen die Gerichte in diesem Land: Fürstliches Landgericht, Fürstliches Obergericht und Fürstlicher Oberster Gerichtshof.
Den Vorsitz führen hier ausländische Richter, die überwiegend aus Österreich importiert werden. Sie sind keine Beamten, sondern Angestellte und werden von der Richterauswahlkommission ausgewählt, deren Mitglieder unter anderem Rechtsanwälte und Treuhänder sind. Den Vorsitz der Richterauswahlkommission führt der Fürst selbst.
Damit jeder weiß, wer in Liechtensteins Justiz das Sagen hat, ergeht jedes Urteil „im Namen von Fürst und Volk“. In dieser Reihenfolge, wohlgemerkt. Auf Nachfrage erklärt der Kronprinz gnädig, er mische sich selbstverständlich nicht in die unabhängige dritte Gewalt, die Judikative, ein. Eine etwas seltsame Behauptung, wenn man bedenkt, dass alle Urteile in seinem Namen ergehen.
Auch hier handelt es sich um ein Urteil, das die bis dahin bestehende Rechtssicherheit aufhob und mit rechtlichen Vorbehalten eine Rückkehr zum mittelalterlichen Willkürrecht einleitete. Es geht um das Stiftungsrecht im Ländle.
Nachdem Liechtenstein mit dem Beitritt zum automatischen Informationsaustausch (AIA) seine Attraktivität als Versteck für nicht deklariertes Geld verloren hatte, schrumpfte ihre Zahl innerhalb weniger Jahre von über 50.000 auf unter 9.000. Die Zahl der Treuhänder und Anwälte in Liechtenstein, die mit der Gründung und Verwaltung solcher Stiftungen ein Vermögen machten, blieb jedoch gleich.
Doch den rund 140 Treuhändern, die nach fürstlichem Recht in jeder Stiftung sitzen müssen, steht mittlerweile weniger als ein Fünftel dieser Mittel zur Verfügung. In ihrer Verzweiflung greifen sie mitunter zu unfairen Methoden, um die dramatischen Einnahmeausfälle auszugleichen.
Wie sonst ließe sich der gewohnte Lebensstandard aufrechterhalten? Einem liechtensteinischen Treuhänder gelang es beispielsweise, die wohl umfassendste Rolls-Royce-Sammlung der Welt aufzubauen. Um sich an ihnen zu erfreuen, ließ er eigens ein mehrstöckiges Museum errichten.
Doch 2021 kam diese Sammlung unter den Hammer; ihre kostbaren Stücke wurden versteigert. Gegen den einst hochgeschätzten Besitzer läuft ein Verfahren wegen Untreue und Geldwäsche. Und das Verfahren dauert an, denn solche Angelegenheiten werden im Namen des Fürsten eher gemächlich abgehandelt.
Andere Treuhänder, darunter ein fürstlicher Geheimrat und weitere Würdenträger, landeten im Gefängnis, nur weil sie einfach in die Kasse gegriffen hatten. Erfahrenere Mitglieder der Zunft greifen auf den Trick des sogenannten Umfüllens zurück. Da sie als Stiftungsratsmitglieder vertretungsberechtigt sind, schütten sie den finanziellen Inhalt einer Stiftung einfach in ein neues Gefäß. Erkundigt sich der Stifter dann nach dem Verbleib seines Vermögens, wird ihm mit einem bedauernden Achselzucken mitgeteilt: Es ist weg. Wohin? Nun, leider verbieten das Anwalts- und Geschäftsgeheimnis weitere Auskunft.
Diese Methode verbreitete sich jedoch rasch, und immer mehr Stifter griffen zu Gegenmaßnahmen, indem sie sich selbst oder zumindest einen Begünstigten in den Stiftungsrat entsandten. Dadurch konnten die Treuhänder einer genauen Kontrolle unterzogen werden.
Doch dem liechtensteinischen Finanzingenieur ist nichts zu schwer. Wie wird er diesen unerwünschten Kontrolleur los, der nicht nur das Dekantieren verhindert, sondern auch den Treuhänder mit exorbitanten, selbst auferlegten Gebühren, üppigen Spesenregelungen und jährlichen Pauschalbeträgen daran hindert, sich selbst zu verwöhnen?
Der Stifter oder Begünstigte als Stiftungsrat muss gehen, so viel ist klar. Er steht der üblichen und ordentlichen Selbstbereicherung im Wege. Aber wie? Hier kommt die königliche Justiz ins Spiel. Denn auch in Baden-Württemberg lassen sich störende Stiftungsräte nicht einfach per Federstrich verbannen. Stattdessen müssen sie auf dem Rechtsweg aussortiert werden. Aber wie?
Selbst der Justizingenieur im Ländle fürchtet sich nicht. Schließlich ist dieser Stiftungsrat auch Nutznießer. Diese Konstellation erlaubt es einem Richter, ihn im Namen des Fürsten (und des Volkes) hängen zu lassen. Im Brief heißt es: „Bloßer Anschein eines möglichen Interessenkonflikts.“ Was das ist? Egal; wichtig ist, dass ein solcher Anschein von etwas Möglichem jedem und allem leicht unterstellt werden kann.
Ein Blick in den Himmel könnte den bloßen Anschein möglichen Regens offenbaren, obwohl der Beobachter keinen Regenschirm besitzt. Ein klarer Interessenkonflikt. So etwas in der Art. Nun könnte ein ehrenhafter Bürger meinen, der Fürst würde einen solchen Rückfall in pure Willkür und Wildwestjustiz durch alle Instanzen sicher nicht zulassen. Doch er irrt sich, denn selbst sein oberstes Gericht schützte diesen Wilden Westen, der dann dazu genutzt wurde, ein unerwünschtes Stiftungsratsmitglied und Begünstigten aus seiner Stiftung zu vertreiben.
Daraufhin genehmigten die verbliebenen liechtensteinischen Stiftungsräte (genauer gesagt einer, der einen zweiten ins Boot holte) üppige Honorare von insgesamt 50.000 Euro pro Person und Monat, wohlgemerkt – und das seit über einem Jahr. Die Gegenleistung? Mangels Fachwissen zerlegen sie das Immobilienvermögen der Stiftung in Stücke. Die Verwaltung von rund 900 Immobilien übersteigt die Fähigkeiten eines harmlosen liechtensteinischen Anwalts, der schließlich nur Geld zählen und mit Textbausteinen eine Stiftung gründen gelernt hat.
Ist da noch was los in der fürstlichen Wildwest-Region? Oh ja, denn dieses bizarre Urteil muss juristisch anerkannt und verteidigt werden. Zunächst wollte man es einfach unter den Teppich kehren. Doch nachdem kritische Publizität aufkam, zeigt die nun veröffentlichte Begründung dieses skandalösen Urteils des fürstlichen Gerichts deutlich, was die Menschen in der Region vom Rechtsstaat halten:
„Ein Rechtsgutachten muss nicht zwingend auf einer bestimmten gesetzlichen Norm beruhen, um verfassungsgemäß zu sein. Es ist gerade die Aufgabe jedes Gerichts, die Gesetze nicht nur auszulegen und damit notwendigerweise ihren normativen Gehalt zu präzisieren, sondern auch bestehende Lücken durch die Norm zu füllen, die das Gericht als Gesetzgeber aufstellen würde.“
Noch einmal für den Laien: Das bedeutet, wenn dem fürstlichen Gericht bestehende fürstliche Gesetze nicht passen, kann es sie einfach ignorieren. Das ist schockierend, denn es beseitigt jegliche Rechtssicherheit. Wer glaubt, durch bestehende fürstliche Gesetze geschützt zu sein, wer glaubt, dass alles wie in einem zivilisierten Staat Recht und Ordnung unterliegt und das Gericht dafür sorgt, dass Entscheidungen nach diesen Gesetzen und innerhalb dieser Rechtsordnung getroffen werden, der irrt.
Es ist höchste Zeit, dass das Fürstliche Gericht dieser Willkürjustiz ein Ende setzt. Glücklicherweise verfügt es über die Autorität und die Macht dazu, bevor eine solche Wildwestjustiz dem Finanzplatz Liechtenstein weiteren schweren Schaden zufügt. Denn welcher Stifter würde sein Vermögen noch einer derart unkontrolliert wachsenden liechtensteinischen Stiftung anvertrauen? Trügt der Schein nicht, besteht ein enormes Risiko, sein Geld zu verlieren. Und das Fürstliche Gericht leistet Mitschuld.



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