Ein Toter unterschrieb – die Neue Bank zahlte
- Developer tester
- 30. Juni
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Finanzskandal in Liechtenstein
Ein Veruntreuungsskandal erschüttert erneut den Finanzplatz Liechtenstein. Der Angeklagte ist ein alter Bekannter.

Die Vorhänge sind zugezogen, die Tische im Freien mit Planen abgedeckt, die Pflanzen verwelken bereits: Die Bar Esquire, jahrelang ein beliebter Treffpunkt der Vaduzer High Society, ist für immer geschlossen. Der Konkurs der Szenekneipe ist ein Kollateralschaden eines Finanzskandals, der Liechtenstein derzeit erschüttert. Ihr Pächter, der 53-jährige Treuhänder Mario Staggl, sitzt in Untersuchungshaft.
«Es besteht der dringende Verdacht auf Untreue, Unterschlagung und schweren Betrug», bestätigt Oberstaatsanwalt Robert Wallner die Recherchen von BILANZ. Er schätzt den Schaden auf 15 Millionen Franken.
Schaden von 20 bis 25 Millionen
Unterlagen, die BILANZ vorliegen, sprechen jedoch von einem Betrag von 20 bis 25 Millionen Franken. Betroffen sind rund 60 Anleger. Die Hauptopfer sind ein kanadischer Minenbesitzer mit rund 10 Millionen Franken, ein israelischer Bauunternehmer und ein britischer Geschäftsmann.
Staggl betreibt zwei Treuhandgesellschaften, den Salamander Trust in Zürich und den New Haven Trust in Schaan (mittlerweile ebenfalls in Konkurs). Die Treuhandkonten führte er bei der Neuen Bank in Vaduz, der viertgrössten Bank des Landes mit einem verwalteten Vermögen von 5,46 Milliarden Franken.
Private Rechnungen, die von Treuhandkonten bezahlt werden
Über Jahre hinweg, so der Vorwurf, soll Staggl das Treuhandvermögen für seinen privaten Lebensstil missbraucht haben – zunächst soll er ihm anvertraute Gelder auf sein eigenes Konto überwiesen, später seine privaten Rechnungen direkt von den Treuhandkonten bezahlt haben: rund 262.000 Franken an Amag für einen neuen Bentley, Schulgeld für die Kinder, Catering für Partys oder die Unterhaltskosten für seine Immobilien in Dubai, Portugal und dem Montafon.
Jedes Jahr am 23. Dezember soll Staggl zwischen 50.000 und 110.000 Franken abgehoben haben, vermutlich für Weihnachtsgeschenke. Statt Kontoauszügen schickte er seinen Kunden lediglich selbst erstellte Excel-Tabellen.
Einen Stapel leerer Formulare hinterlassen
Es ist überraschend, dass die Neue Bank solche Transaktionen aus einem Treuhandfonds abwickelte, der auf langfristigen Vermögensaufbau angelegt war. „Es ist nicht unbedingt ungewöhnlich, dass ein vermögender Kontoinhaber gelegentlich ein Auto kauft“, sagt Pietro Leone, Mitglied des Vorstands der Neue Bank. „Bis heute, auch in den jüngsten Entwicklungen, ist der Bank keine Kritik an ihrem Kontrollsystem bekannt.“
Doch es kommt noch schlimmer: Mario Staggls Partner Klaus Biedermann lieferte die notwendige zweite Unterschrift für die Transaktionen. Selbst nach seinem Tod im April 2016 tauchte seine Unterschrift noch auf den Bankanweisungen auf – vermutlich hatte er Staggl einen Stapel Blankoformulare hinterlassen.
Die Neue Bank habe die posthumen Unterschriften nicht bemerkt: „Die Bank löscht Unterschriftsberechtigungen sofort, wenn sie vom Tod der betreffenden Person erfährt. Vorausgesetzt natürlich, sie wissen davon“, sagte Leone. Nun droht der Bank ein Verfahren wegen Geldwäsche.

Es drohen zehn Jahre Haft
Besonders brisant: Staggls Mutter, Gertrud Frick, soll Minderheitsaktionärin der Neuen Bank sein. Der ehemalige österreichische Außenminister Ernst Walch ist Vorstandsmitglied der Bank und zugleich Staggls Verteidiger. Und der Anwalt der Bank, Ex-Ministerpräsident Mario Frick, sitzt im Vorstand von Staggls Familienstiftung. Der Treuhänder hat dort seine Immobilien gesichert, um ihn vor Klagen zu schützen.
„Wir dachten, Liechtenstein sei einer der sichersten Orte der Welt“, sagt Ian Burns, Protektor des angeschlagenen Aspasia Trust. „Leider ist das Gegenteil der Fall.“
Staggl drohen nun zehn Jahre Haft. „Der Angeklagte ist kooperativ und hat weitgehend geständig“, sagt Wallner. Staggl ist bereits einmal aufgefallen: Vor zehn Jahren wurde er gemeinsam mit dem UBS-Banker Bradley Birkenfeld wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung angeklagt. Seitdem gilt er vor der US-Justiz als flüchtig. Die liechtensteinische Finanzmarktaufsicht (FMA) erteilte ihm dennoch die erforderliche Eignungsbescheinigung für die Tätigkeit als Treuhänder.



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