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Fürstliche Geschäfte

  • Autorenbild: Developer tester
    Developer tester
  • 24. Juni
  • 6 Min. Lesezeit

Liechtenstein hat seine illegalen Einnahmen aufgegeben. Nun schaden Treuhänder dem Ruf des Landes.


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Die Kommunikationswege sind kurz. Im Fürstentum Liechtenstein (hier Vaduz) kennt jeder jeden, selbst in der verschwiegenen Finanzbranche – und das nicht immer zum Vorteil der Kunden.


Am vergangenen Freitag kämpfte Ralf H.* im Gerichtssaal 3 des Fürstlichen Landgerichts Vaduz um rund 3,5 Millionen Euro, die er zurückfordern will. Dieses Geld hatte er seiner eigenen Firma geliehen. Da seine Treuhänder sämtliche Verbindungen H.s zu seinen Firmen gekappt hätten, sei ihm der Zugang zu deren Buchhaltungsunterlagen verwehrt worden und er habe den Zugriff auf sein Vermögen vollständig verloren, behauptet er. Er ist nicht der Einzige, der Liechtensteiner Treuhänder beklagt, die durch Misswirtschaft Vermögen vernichten oder sich durch ihre Verwaltung übermäßig bereichern.

Zuletzt machte der Fall einer 2015 verstorbenen „Grande Dame“ und Erblasserin Schlagzeilen. Ihre Erben beklagten mangelnde Aufklärung und Vermögensverschwendung durch die liechtensteinische Stiftung, die den Nachlass verwaltete. Eine in Vaduz eingereichte Strafanzeige wurde mangels „Anfangsverdachts“ abgelehnt, ein Zivilprozess dürfte Jahre dauern und der Ausgang ungewiss sein.


Vorteil als Nachteil


Das Fürstentum bewältigte den Steuerstreit mit den USA und der EU deutlich geschickter als die Schweiz und konnte sein Image rasch und deutlich aufpolieren. Innerhalb weniger Jahre wandelte sich Liechtenstein vom Paradies für Steuerhinterzieher zu einem Musterbeispiel an Steuerehrlichkeit. Anders sieht es jedoch bei der Haupteinnahmequelle der Treuhänder im Land aus: Rechtsformen wie Stiftungen und Trusts. Deren Zahl schrumpfte von über 50.000 im Jahr 2008 auf knapp 16.000 Ende 2016 – ein Aderlass durch den Abfluss nicht deklarierter Gelder.


Ihr Vorteil ist zugleich ihr Nachteil: Die Identität des Stifters kann hinter den geschäftsführenden Stiftungsräten verschwinden. Im schlimmsten Fall aber auch deren Kontrolle über das Stiftungsvermögen. Der österreichische Anwalt David Christian Bauer kritisierte in der Lokalzeitung Vaterland: „Die Instrumente der Stiftung orientieren sich immer weniger an den Interessen des Stifters und der Begünstigten.“


Insgesamt 378 Treuhänder und Treuhandgesellschaften teilen sich das Grossgeschäft, geschätzte 20 Milliarden Franken Stiftungsvermögen zu verwalten. Vom Aufbau einer solchen Struktur bis hin zu ihrer Verwaltung und Aufsicht als Stiftungsrat fallen saftige Gebühren und Provisionen an. Wie Bauer zudem kritisiert, werden auch Unterstiftungen gegründet, in die Vermögenswerte ausgelagert werden, von deren Verwendung weder Stifter noch Begünstigte Kenntnis haben. Da im Staat nun kaum noch Schwarzgeld verwaltet wird, sind viele Kunden von Finanzintermediären und Treuhändern zutiefst verärgert.


Nach königlicher Rechtsprechung haben Stiftungsräte und Treuhänder nur sehr begrenzte Informationspflichten gegenüber Anlegern oder Begünstigten. Zudem muss ihnen eine „schwerwiegende Pflichtverletzung“ nachgewiesen werden, die über Ermessensentscheidungen hinausgeht, um abberufen oder haftbar gemacht zu werden. Doch wie soll das ohne Informationen funktionieren?


Auch Professor Martin Schauer, der die liechtensteinische Regierung bei der Reform des Stiftungsrechts beraten hat, kritisierte in Vaterland die „Rechtsunsicherheit“ für Begünstigte und Mandatsvereinbarungen als „willkommenes Mittel zur Haftungsentlastung“. Stifter kämpften zunehmend – und oft vergeblich – gegen ihre eigenen Stiftungsräte oder Treuhänder. Der Name von Angelika Moosleithner-Batliner fiel in diesem Zusammenhang immer wieder.


Jahrzehntelang dominierte Herbert Batliner das liechtensteinische Treuhandgeschäft. Seine Karriere endete jedoch unrühmlich, weil er die Zeichen der Zeit nicht erkannte: Ein Verfahren der deutschen Staatsanwaltschaft wegen Beteiligung an Steuerhinterziehung in Höhe von 250 Millionen Euro wurde 2007 gegen eine Zahlung von zwei Millionen Euro eingestellt. Und der liechtensteinische Verfassungsgerichtshof, dem Batliner einst selbst vorstand, stufte Spenden einer Stiftung an Batliner in einem Urteil von 2009 als „sittenwidrige Geschäfte“ ein.


Die Familientradition wird von seiner Tochter Angelika Moosleithner-Batliner fortgeführt. Sie ist Mitinhaberin des inzwischen in First Advisory umbenannten Unternehmens Batliner. 2009 übernahm First Advisory zudem die LGT Treuhand; die Fürstenbank LGT hatte sich damals aus dem angeschlagenen Treuhandgeschäft zurückgezogen. Heute ist First Advisory der führende Finanzdienstleister in der Region mit über 240 Mitarbeitenden und Niederlassungen in Genf, Zürich, Hongkong, Panama und Singapur.


Im großen Stil


Moosleithner-Batliner ist die Beklagte im laufenden Verfahren gegen den Schrotthändler Ralf H. Sie ist unter anderem Mitglied des Verwaltungsrats von H.s Unternehmen. Ralf H., der wegen Steuerdelikten vorbestraft ist und mehrere Jahre ein luxuriöses Leben in einer Villa am Vierwaldstättersee in der Schweiz führte, wirft First Advisory und dem Verwaltungsrat seiner Unternehmen, Moosleithner-Batliner, vor, keine ordnungsgemäße Buchführung geführt und sich dadurch steuerliche Probleme zugezogen zu haben.


Der Sprecher von First Advisory entgegnet, diese „Vorwürfe von Herrn H. seien faktisch vollständig widerlegt“. „Teil seiner Verteidigungsstrategie in den letzten Jahren seit 2008 war es, unschuldige Dritte, darunter liechtensteinische Treuhänder und Anwälte, durch eine Vielzahl von Anschuldigungen zu Unrecht für seine Situation verantwortlich zu machen, um seine alleinige Verantwortung für den Mehrwertsteuerbetrug zu leugnen.“ Das Urteil im laufenden Verfahren steht noch aus. In einem anderen Fall liegt die Sachlage ganz anders.


Im November 2017 erschütterte der Fall des Treuhänders Harry G.* die gesamte Liechtensteiner Berufswelt. Der „Fürstliche Justizrat“ amtierte jahrelang als Präsident des Verwaltungsgerichtshofs und amtierte bis 2004 sogar als Präsident des Staatsgerichtshofs. Der Vorsitzende der Prüfungskommission für Treuhänder und Rechtsanwälte wurde vom Strafgericht Vaduz wegen „gewerblich schweren Betrugs und Geldwäscherei“ sowie der Veruntreuung von 13 Millionen Franken verurteilt.


Da G. gegen die sechsjährige Haftstrafe nur Berufung eingelegt hat, ist das Urteil rechtskräftig. Seit diesem Skandal ist klar: Im Eldorado der liechtensteinischen Treuhänder, die als Stiftungsräte ein Vermögen verdienen, brennt es. Und der nächste Prozess in diesem Fall steht noch aus, es geht um einen Gesamtbetrag von über 50 Millionen Franken.


Bei noch 16'000 Stiftungen, die jeweils mindestens drei Vorstandsmitglieder haben müssen, entfallen auf die rund 100 Treuhänder 480 Stiftungsmandate pro Person. Auch ohne Rückgriff auf strafrechtliche Mittel fallen für jede Stiftung mindestens 4'000 Franken für die Gründung und 5'000 Franken für den jährlichen Betrieb an. Hinzu kommen Beratungshonorare nach Zeitaufwand von bis zu 500 Franken pro Stunde. Das entspricht einem Jahreseinkommen von 800'000 Franken pro Vorstandsmitglied.


Es wird generell empfohlen, eine Stiftung erst ab einem Mindestanlagebetrag von 1,5 Millionen Franken zu gründen. Da die Offenlegungspflichten der Stiftungsräte gegenüber dem Stifter und insbesondere den Begünstigten sehr eingeschränkt sind, besteht auch hinsichtlich der Vergütungen oder Rückvergütungen, die die Stiftungsräte für die Vermögensverwaltung erhalten, eine Grauzone. Es kommt häufig vor, dass Begünstigte nach dem Tod des Stifters Auskunft über die Vermögensverwaltung verlangen – und auf den ordentlichen Rechtsweg verwiesen werden.


In der Region mit ihren 38.000 Einwohnern sind die Wege kurz, jeder kennt jeden. Präsidentin der Liechtensteinischen Treuhand- und Treuhandgesellschaft ist Angelika Moosleithner, dem Vorstand gehören Seine Durchlaucht Prinz Michael von und zu Liechtenstein sowie Johannes Gasser an. Der Rechtsanwalt war einst Partner von Batliner Senior, führt die Kanzlei als dessen Partner weiter und ist Moosleithner-Batliners bevorzugter Rechtsvertreter.


Dass Gasser Mitglied der Richterwahlkommission ist, schadet sicherlich nicht; er hat somit Mitspracherecht bei der Auswahl seiner Richter. Auch dass Anwälte und Treuhänder im Fürstentum nebenamtlich als oberste Richter tätig sein dürfen, schadet der Sache der Finanzintermediäre nicht. Auf Nachfrage konterte Gassers Pressesprecher: „Die Gerichte entscheiden selbständig und souverän über die Fallverteilung innerhalb der Gerichte. Niemand hat darauf Einfluss, nicht einmal die Richterwahlkommission oder Dr. Gasser.“


Derweil formiert sich Widerstand gegen die Vertreter des Treuhänderberufs, die ihre üppigen Privilegien behalten möchten. Im Oktober letzten Jahres wandte sich der liechtensteinische Treuhänder Roger Frick an seine „geschätzten Kollegen“ in der Treuhänder- und Treuhänderkammer und berichtete von zunehmenden Beschwerden aus dem Ausland, wonach „es in Liechtenstein immer mehr Finanzintermediäre gibt, die Mandate blockieren, keine Steueranpassungen zulassen und gleichzeitig ihre Gebühren erhöhen“. Er argumentierte, dies könne auch als „Erpressung“ gewertet werden. Die feste Bindung der Kunden an ihren Treuhänder „laufe einem Selbstbedienungsladen gleich“, der dem Finanzplatz schade.


Als Abhilfe schlägt Frick vor, zumindest die Übertragung eines Mandats von einem Treuhänder auf einen anderen deutlich zu vereinfachen und für den Kunden kostenlos zu gestalten. Moosleithner-Batliner und Gasser reagierten umgehend mit einem eigenen Brief und forderten ihre Kollegen auf, von der Unterstützung von Fricks Antrag Abstand zu nehmen. Sie erklärten, dass etwaige Empfehlungen des Vorstands der Kammer der Treuhänder und Treuhänder nicht vorweggenommen werden sollten.


50 Milliarden aus der Schweiz


Im Steuerstreit hat sich das Fürstentum Liechtenstein bisher souverän aus der Patsche gezogen und sein Image aufpoliert. Gierige Treuhänder und Stiftungsräte verursachen nun zunehmend Reputationsschäden. Während früher Warnungen vor nicht deklariertem Vermögen Stiftungsinvestoren davon abhielten, bei allzu gieriger Geldgier gegen ihre eigenen Stiftungsräte und Treuhänder vorzugehen, sind es heute schlicht juristische Hürden. Sie machen es Stiftern oder Begünstigten im Zweifelsfall nahezu unmöglich, Auskünfte zu erhalten und Stiftungsorgane haftbar zu machen.


Von den insgesamt 235 Milliarden Franken verwalteten Vermögen in Liechtenstein stammen rund 50 Milliarden aus der Schweiz. Ein Teil wird noch vor Inkrafttreten des automatischen Informationsaustauschs im Herbst abgezogen. Sind die Vermögenswerte jedoch in einer Stiftung geparkt, dürfte dies nicht einfach sein.



 
 
 

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30 investigative Artikel, kuratiert und ins Deutsche, Englische, Spanische und Russische übersetzt. Entdecken Sie, was der globale Journalismus über Stiftungen, Treuhänder und Trust-Skandale in Liechtenstein enthüllt.

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